„SM und Kirche“ – Pfarrer zu Gast bei SundMehr
Zum Thema SM und die Kirche traf sich der Gesprächskreises SundMehr am 28.02.14, um mit Pfarrer Matthias Wanzeck, ins Gespräch zu kommen. Der verheiratete 39 jährige Familienvater, teilt sich seit 3 Jahren in der evangelischen Kirchengemeinde Rommelshausen eine der beiden Pfarrstellen mit seiner Frau, nachdem er, nach Abschluss seines Theologiestudiums in Tübingen, drei Jahre als unständiger Pfarrer an der evangelischen Akademie Bad Boll angestellt war, wo er das Evangelium als Kraft, die die Welt verändern kann erfuhr. Rommelshausen lerne er nun als Gemeinde kennen, in der er sich mit Themen auseinander setzen könne, für die man woanders gelyncht wurde, meinte er eingangs, vielleicht auch hinsichtlich seiner wohl erstmaligen Auseinandersetzung
mit SM, und ergänzte gleich zu Beginn: Es ist selten, dass ich aus der Gemeinde heraus als Pfarrer gebeten werde, zu einer ethischen Frage Stellung zu nehmen. Darum freue ich mich über diese Einladung. Hinsichtlich der ganz unterschiedlichen Statements der 24 Teilnehmer in der Vorstellungsrunde, zur Frage, welchen Bezug sie zur Kirche haben, schloss sich der Pfarrer einer Anwesenden an, die schon jetzt von den verschiedenen Äußerungen überrascht war. Auch als Pfarrer habe er selbst ein ambivalentes Verhältnis zur Kirche. Alles andere wäre bei so einer komplexen Institution auch eher ungewöhnlich. Dennoch sei die Kirche sein Arbeitgeber, mit dem er sich auch identifizieren und darum auch auseinandersetzen müsse. In der Württembergischen Landeskirche gäbe es die verschiedensten Strömungen, die auch zu einer gewissen Konfliktkultur und zu starken Bewegungen innerhalb der Kirche führten.
Bei der christlichen Botschaft steht Leiden und Lieben durchaus in einem Zusammenhang, und sei daher auch ein zentrales Thema, wie dies ja bei SM wohl auch der Fall sei. Im Zusammenhang mit seinem Dienst hatte er vor dieser Einladung (und einer Raumanfrage des Gesprächskreises SundMehr mit dem AK SM und Christsein, anlässlich des Bundestreffens von AK SMuC) im kirchlichen Kontext noch nie etwas über SM oder die Auseinandersetzung damit gehört. Zur Vorbereitung des Abends hatte er dann jedoch versucht sich kundig über das Thema zu machen, um dann festzustellen, dass es von kirchlicher Seite kaum etwas gibt. Sofern es doch etwas geben sollte, würde dies zur Zeit von der Debatte um die EKD Orientierungshilfe zu Familie und Partnerschaft und der Bildungsplandebatte in Baden-Württemberg verdeckt.
Eigentlich sei es schon erstaunlich, führte er aus, welch wenig zentrale Rolle Sexualität in der Bibel spielte und wie sehr das Thema dennoch von konservativen evangelischen Christen zu der Bekenntnisfrage schlechthin gemacht würde.
Der Unterschied zwischen Theologie und dem Christentum wurde deutlich, als der Pfarrer dann ausführte, dass Sexualität dabei in den Kirchen schon früh ein großes Thema gewesen sei. Mit Hinweis, dass er kein Fachmann für frühe Kirchengeschichte sei, führte er dies auf die vielen Einflüsse vor allem aus der griechischen Kultur (Neoplatonismus) zur Zeit der alten Kirche zurück. An dieser Stelle kam es zur Frage, ob Sexualität in der Antike einen höheren Stellenwert hatte, als heute, wie ein Teilnehmer an der Positionierung des Bordells in einer antiken Ruinenstadt festgestellt hatte. Ob die Prostitution hier eher freiwillig war oder nicht, musste dann auch offen bleiben, zumal es Berichte gab, über eine durchaus würdevolle Funktion, im Rahmen der Tempelprostitution, die der Ausübung von Sexualität ja einen spirituellen Impetus verlieh, der von Priesterinnen geleistet wurde.
Ob Paulus z.B. Homosexualität darum in seinen Briefen ablehnte, weil dies auch soziale Strukturen gefährdete (weil verheiratete Ehemänner nebenher ihre Lustknaben halten konnten), wie einige Anwesende erwähnten, musste auch unbelegt bleiben.
Sexuelle Vergehen würden jedenfalls vor allem seitens der kathol.
Kirche im Vergleich zu anderen Sünden (Lüge, Stehlen, Mord usw
) überbewertet, meinte der Protestantische Pfarrer.
Im evangelischen Bereich, spiele dies vor allem in evangelikalen Kreisen eine Rolle, was sich vor allem in der Ablehnung von vorehelichem Geschlechtsverkehr (true love waits). Sein Eindruck, dass diese Tendenzen rückläufig seien, konnten von einer Anwesenden nicht geteilt werden, die während ihres Studiums auf einer evangelischen Hochschule die Beobachtung machte, dass verhältnismäßig viele Kommilitoninnen, mit Anfang Zwanzig heirateten, was sie auf die Notwendigkeit zurückführte, ihre erotischen Bedürfnisse durch Eheschließung zu legitimieren.
Überhaupt ist das Ringen um die Akzeptanz oder Ablehnung von Homosexualität biblisch viel besser belegbar, meinte Pfarrer Wanzeck, obwohl schon dies Ringen an sich der protestantischen Lehre, dass wir alle schon ohne unser Zutun, so wie wir sind, vor Gott gerechtfertigt zu sein, widerspricht. Dennoch sei bis heute in der Württembergischen Landeskirche ein offener, entspannter Umgang mit dieser Thematik nicht möglich. Praktisch habe sich zwar vieles verändert, aber durch die angeschwollene Medienlandschaft, auch das Klima, was öffentlich gesagt werden kann und was nicht. So sage die Kirche oftmals lieber mal etwas nicht oder falls doch, dann sehr neutral. Natürlich kann er als Einzelperson darum auch keine Aussage machen, zur Haltung der (Württembergischen) Landeskirche. Zudem entspräche dies ja auch der Haltung und Ethik der evangelischen Kirche, die der individuellen Gewissensentscheidung einen großen Wert beimisst. Im Gegensatz zur katholischen Kirche gäbe es darum ja auch keine Lehramt, das in Pastoralbriefen und Enzykliken die offizielle Haltung der Kirche verkündet. Stellungnahmen der EKD werden darum auch mit Denkschrift oder Orientierungshilfe betitelt.
Viele der der konkreten Fragen der Teilnehmer schienen genau aus diesem Grund, auch nur mit dem Verweis auf Ethik und Theologie beantwortbar zu sein. So musste sich jeder immer wieder seine eigene Verantwortung für den Glauben, sofern vorhanden, klar machen.
Nach einigen Zwischenfragen ging es dann auch um das Bibelverständnis.
Wanzeck erläuterte, dass eine historisch-kritische Herangehensweise beim Versuch helfen kann, den Bedeutungsinhalt eines Textes zu verstehen, wobei vieles offen bliebe. Die christliche Religion ist eben keine Buchreligion, erläuterte er, denn Gegenstand des Glaubens ist eben nicht die Heilige Schrift, sondern Gott und seine Beziehung zum Menschen. Allerdings habe die Bibel einen großen Stellenwert, da aus ihrem Inhalt herausgefiltert werden, was Menschen von Gott wissen und in früheren Zeiten aufschrieben.
Die nun an die Teilnehmer gestellte Frage, ob jemand etwas in der Bibel über oder zu SM gefunden hat, führte zu dem wichtigen Hinweis von Teilnehmerseite, hier zu trennen, denn was in der Bibel von und über Sklaven stünde, wäre in einem absolut anderen, auch historischen Kontext zu sehen, als was SMer unter einem Sklaven verstehen. Da es bei einer guten Session ja nicht darum ginge, Leiden zu vermehren, sondern durch die körperliche Erfahrung, wenn auch unangenehmer Situationen, Lust zu erzeugen, wäre dies stark zu unterscheiden was SM tatsächlich auch etwas Spirituelles gäbe. Ob der Erlösungsgedanke durch Jesu Leiden hier in Verbindung gebracht werden könne, wurde dann sehr kurz kontrovers diskutiert, zu bereits fortgeschrittener Zeit. Dass Lust irgendeine Rolle gespielt haben könnte, bei Jesu Leiden, wurde dann von einem Teilnehmer stark hinterfragt, ebenso, dass Gott Lust dabei empfunden haben sollte. Relevanter wäre hier, die Übertragung eines Opferrituals vom Tier, auf den Mensch Jesus, der stellvertretend für alle Menschen litt.
Die Bußübungen, manch mittelalterlicher Selbstgeißler wurden dann auch von Martin Luther kritisch gesehen, weil ja hier erneut Werke im Vordergrund standen, die den Mensch vor Gott rechtfertigen sollten, erläuterte der Gast.
Die Abwehr von Sex vor der Ehe ist keine Grundlinie der evangelischen Kirche, erläuterte Wanzeck weiter. Der wichtigste Aspekt sei die Liebe zwischen den Beteiligten, der verantwortungsvolle Umgang mit dem Gegenüber. Auf die Nachfrage eines Teilnehmers, welchen Stellenwert die Kirche der Sexualität denn überhaupt beimesse, meinte Wanzeck, sehr wohl solle Sex auch Spaß machen und sei natürlich nicht nur zum Zweck der Fortpflanzung geschaffen. Relevant sei eben, wie die Sexualität statt finde.
Als dann ein Teilnehmer die reglementierende Wirkung der Kirche auf die Sexualität mit dem Hinweis auf den viel entspannteren Umgang von Naturvölkern damit belegen wollte, wurde dies von einem anderen
Teilnehmer fachkundig entkräftet: Viele sog. Naturvölker haben den Wissenschaftlern auf deren in diese Richtung weisende Fragen Dinge erzählt, die diese zwar hören wollten, aber die so nie waren was später zu einem recht verklärten Blick auf entsprechende Kulturen (z.B.
Eskimos) führte, weshalb die Berichte der renommierten Ethnologin Margaret Mead heute später zu kontroversen führten.
Abschließend wurde der Kirchenvertreter noch gefragt, was er einem SMer raten würde, der sich nicht sicher ist, ob er sich in der Kirche wohlfühlen könnte, weil er Angst davor hat, was andere von ihm denken könnten, oder weil er ein schlechtes Gewissen hat.
Ein schlechtes Gewissen komme vor allem vom eigenen Gewissen, meinte der Theologe, und kann daher auch Ausdruck nicht abgeschlossener, eigener Klärungsprozesse sein.
Religiosität Glaube ist auch so existenziell, dass sie sich nicht in verschiedene Lebensbereiche aufspalten ließe (z.B. Berufsleben, Privatleben, Erotik). Darum sei es wichtig, die eigene Religiosität mit seinen bevorzugten sexuellen Neigungen in Einklang zu bringen.
Das schlechte Gewissen kommt bei uns Christen oft daher, dass wir Idealbilder proklamieren. Wären wir authentischer und kämen auch die Brüche in Biographien durch Scheidung usw
zur Sprache, wäre dies viel weniger Thema, ergänzte die anwesende Sprecherin des Arbeitskreises SM und Christsein.
Ein schlechtes Gewissen hat auch immer etwas mit dem Gefühl, schuldig zu sein, zu tun, wobei biblische Aussage ist, dass wir uns als schuldige Menschen zwar wahrnehmen sollen, aber vor allem im Bewusstsein, dass uns diese Schuld schon lange vergeben wurde und wir von Gott angenommen sind. Die ständige Betonung, dass die Kirche einen schuldig spricht, könnte dagegen eher Indiz dafür sein, dass man dies selbst macht.
Quelle: SWL